Rundgang in der Hersbrucker Gedächtnisstätte 05.11.2022

Eine Fahrt des Bürgerverein Gostenhof / Muggenhof aus Nürnberg in die Abgründe lange Zeit ignorierter historischer Wahrheiten

Autor: Herbert Mundschau

Heute ist siebenundsiebzig Jahre danach. Und was wir sehen, ist zunächst mal nichts und da haben wir doch schon eine Gemeinsamkeit mit den Hersbrucker Bürgern. Die haben in den letzten Kriegsjahren auch nichts gesehen. Dieses unsichtbare Lager, nur ein unscheinbares Außenlager des KZ Flossenbürg. Unsichtbare Baracken, in denen Häftlinge wohnten und starben und jeden Morgen marschierten die Unsichtbaren unter strenger Bewachung mit tausendfachem Klappern der roh gearbeiteten Holzschuhe, die sie alle tragen mussten, quer durch das historische Hersbrucker Zentrum hinaus nach Happurg ins Doggerwerk, wo die Nationalsozialisten im Schutz tief in die Houbirg getriebener Stollen den Bau leistungsfähiger Flugzeugmotoren vorantrieben. Und abends schleppten die ausgepumpten Unsichtbaren sich auf dem selben Weg zurück.

Täglich starben dreimal soviele von ihnen als im Rest des idyllischen Städtchens. Im Februar 1945 hausten in dem mit 6500 Häftlingen überfüllten Lager etwa so viele Menschen wie Hersbruck „reguläre“ Einwohner hatte. Hersbruck ist, nach Dachau und Flossenbürg, das drittgrößte KZ in Süddeutschland gewesen. Mit etwa 9000 Häftlingen in der kurzen Zeit seines Bestehens von Mai 1944 bis Anfang 1945 hatte es die höchste Todesrate und war „gefürchtet“.

Nach der Räumung des Lagers starben auf dem sogenannten Todesmarsch nach Dachau noch einmal über 500 Menschen. Aus dreiundzwanzig Nationen stammen sie, viele sind jüdischen Glaubens, andere sind Widerstandskämpfer und/oder politische Häftlinge.

Klaus Wiedemann, der zweite Vorsitzende des Vereins „Dokumentationsstätte KZ Hersbruck e.V.“, begleitet unsere Gruppe von einundzwanzig Mitgliedern des Bürgervereins an diesem kühlen und windigen Novembermorgen über das ehemalige Lagergelände. Davon ist nach mehreren Abrissaktionen und Neubauten von Therme, Wohngebäuden und Finanzamt keine Spur mehr vorhanden außer den in den letzten Jahren doch sukzessive aufgestellten Infotafeln und Gedenksteinen, sowie in einer Art begehbarer Multimediabox.

Wiedemann, der sein profundes Wissen um dieses Mahnmal mit dem fürchterlichen geschichtlichen Background mit uns teilt, tut dies sehr sachlich und doch ist zu spüren, wie wichtig ihm dieses ehrenamtliche Engagement ist. Alleine und mit anderen hat er gegen zeitweise massiven Widerstand jahrelang gegen Vergessen und Verdrängen gekämpft und dafür, dass tausende von Toten und Überlebenden des KZ von Bürgern seiner Stadt (wenn auch spät) gesehen wurden, Namen und Gesichter bekamen.

Langsam erst taute die Bürgervereinsgruppe nach so schwerer Kost aus der Vergangenheit beim anschließenden Mittagessen wieder auf.